Erlebnisse und Mitarbeit bei der Einführung des Fernsehens in der ehemaligen DDR

Als Fachgebietsleiter Funkwesen bei der Bezirksdirektion für Post-und Fernmeldewesen (BPF) Magdeburg habe ich 1955 die Einführung des Fernsehens unmittelbar miterlebt und mitgestaltet. Ein Grund, nach über 50 Jahren (im Alter von 85 Jahren) mein Archiv zu öffnen.
 
Vorangegangen war der Beginn des Sendebetriebs in Berlin. Wie in dem Zeitungsausschnitt (Bild1) zu lesen, gab es schon einige Kritik.
 Wie in dem nächsten Zeitungsausschnitt (unten) zu lesen ist, wurde damals im staatlichen RFT-Laden in der Berliner Stalinallee im Schnitt täglich nur ein FS-Empfänger „Rembrandt“ verkauft (für 1300 Mark) , meistens noch auf Sparvertrag !
 
 
 Im Bezirk Magdeburg begann die Ära des Fernsehens mit der Inbetriebnahme des Senders Brocken im Juli 1955. Der Sender arbeitete nach dem OIRT-Verfahren auf 169,25/175,75 MHz [1]. 
 
 
Die im obigen Bild auf dem Turmdach zu sehende Schlitzrohrantenne ist die UKW-Antenne. Zur Abstrahlung der 3kW Fernseh-Senderleistung stand neben dem Turm auf dem Plateau eine sogenannte Schmetterlingsantenne (Kreuzdipol) in der Holzverkleidung . Vorn UKW-Antenne [2].
                                                                                          Foto: M.Hiller 1956                        
                                                                  
           
 
 
Ich hatte im Anfang nur einen Überwachungsempfänger "Leningrad T 2", in der Sowjetunion entwickelt und bei RAFENA als Reparationsgut gebaut, mit einer Bildschirmgröße 13,5 x 18 cm !!
 
 
 
 
                                                                                                                                                                                                                                            
Im Anfang waren die Bewohner neugierig und beobachteten vor den Schaufenstern der Verkaufsstellen das Abendprogramm (Bild 3):
 
 
Das SED-Organ „Volksstimme“ feierte das Fernsehen als „Geschenk der Regierung“.
 
Das Problem war, dass in dem vom Brocken 90 km entfernten Magdeburg bei der damaligen Geräte-Empfindlichkeit und dem vom VEB Antennenwerke Bad Blankenburg angebotenen Dipol mit Reflektor und Direktor praktisch kein rauschfreier Empfang möglich war. Die privaten Antennenbau-Firmen und Produktionsgenossenschaften des Handwerks (PGH) stellten sich schnell auf 10-Element-Yagi-Antennen ein.
Und es boomte der Bau von Antennenverstärkern.
Da der Geräteverkauf stagnierte, kam es im August 1955 zu einer groß angelegten Verkaufsveranstaltung im Magdeburger Kristallpalast (Bild 4).
 

       Außer der Produktion von Fersehempfängern im Sachsenwerk Radeberg wurden aber 1955 auch im Bezirk Magdeburg Empfänger im VEB "Elbia" Schönebeck vom Typ "Helios" sowie sogar eine Fernsehmusiktruhe "Saturn" produziert sowie im VEB Funkwerk Halle Geräte vom Typ "Sonata":

Zur Qualifizierung in der Fernsehtechnik wurde Anfang 1956 für alle BPF-Funkingenieure der 15 DDR-Bezirke in der Technischen Betriebsschule des VEB Sachsenwerk Radeberg ein spezieller Lehrgang durchgeführt, wo sonst die Fernseh-Zusatzprüfung für Meister der Vertragswerkstätten abgenommen wird.

 

 

                                                                                                                                                                
          
 
 
Ich hatte diese Oszillogramme an der Bilröhrenkathode aufgezeichnet und dem Bericht beigefügt:
 
 
 
 
 
 
  
  
 Hier die Antwort des Ministeriums für Post- und Fernmeldewesen und des Funktechnischen Betriebsamtes Berlin:
 
 
 
 
 
Meine Methode zur Messung und Konstanthaltung des Bild-/Tonabstandes wurde also bei den Sendern eingeführt.
 
Dann wurde ich auch noch vom Ministerium gebeten, nach Möglichkeit eine Frequenzüberwachung des Senders Brocken durchzuführen. Ich improvisierte wie folgt:
 
 
 
 
 
  
 
 
                                                    

Die Meßergebnisse ergaben eine gute Übereinstimmung mit den im Schreiben des Funktechnischen Betriebsamtes enthaltenen Meßwerten einer westdeutschen Funküberwachungsstelle.

 

                      

Am 25.8.1967 wurde in der Bundesrepublik Deutschland auf der Großen Deutschen Funkausstellung Berlin von Vizekanzler Willy Brandt durch Druck auf den berühmten roten Knopf (der eine Attrappe war) das Farbfernsehen eröffnet .

 

                                          

 

2 Jahre später, am 9.Oktober 1969, dem 20. Jahrestag der DDR, wurde auch in der DDR das Farbfernsehen, hier durch Walter Ulbricht, (auch mit einer Attrappe) eingeschaltet !    

(Danke für dieses Bild an Ralph-Torsten Berger )

Der innerhalb von 2 Jahren beim Zentrallabor für Rundfunk- und Fernsehempfangstechnik (ZRF) Dresden entwickelte Farfernsehempfänger "Color 20" (mit dem politischen Druck der Produktionsreife am 20. Jahrestag der DDR) hatte das ehrgeizige Ziel, der erste Farbfernsehempfänger in Europa in volltransistorisierter Ausführung zu werden. Dafür war Erich Honecker und seinem Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowsky kein Import-Bauelement aus dem "nicht-sozialistischen Wirtschaftsgebiet (NSW)" zu teuer. Schließlich konnte der Produktionsanlauf im VEB Fernsehgerätewerk Staßfurt pünktlich der Staatsführung gemeldet werden. Das Gerät hatte tatsächlich einen mehrjährigen Entwicklungsvorsprung vor westdeutschen Geräten. Zum Beispiel war die Stromaufnahme mit 160 Watt wesentlich niedriger als 280 bis 350 Watt bei Röhrengeräten. Probleme bereiteten nur die sowjetischen Bilröhren 59LK3Z, die später auch durch NSW-Importe ersetzt werden mußten. Das Gerät kostete im Handel 650 M-

 

          

                                             1.Farbfernseher der DDR "Color 20" 

    
 

Am 23.10.2009 wurde vom "Verein der Freunde der Staßfurter Runfunk- und Fernsehtechnik e.V. (http://www.rft-verein-stassfurt.de/ ) im Vereinsmuseum Staßfurt eine Veranstaltung anläßlich des Jubiläums "Beginn der Farbfernsehgeräte-Produktion vor 40 Jahren" durchgeführt. Es trafen sich alte Weggefährten, ehemalige Betriebsdirektoren, Technische Direktoren, Produktionsleiter, Technologen, Kollegen aus Kooperationsbetrieben (darunter auch ich) wieder. Und bei den Vorträgen kamen einige Anekdoten und so manches Skurriles aus der damaligen Zeit ans Tageslicht.

Räume des Vereinsmuseums                                                                                                 Foto: Rüdiger Behrens

 

Organisatoren (v.l.n.r.): Rüdiger Behrens (seinerzeit zuständig für Servicefragen), Franz Korsch (ehemaliger Betriebsdirektor des FSGW ab 1979 und Vorsitzender des Vereins "Freunde der Staßfurter Rundfunktechnik", Werner Eichentopf (Betriebsdirektor des FSGW 1969), Siegfried Grafe (ehem. Leiter Forschung und Entwicklung des FSGW)                                       Foto: M. Hiller

   

Franz Korsch eröffnete die Veranstaltung                                                                                      Foto: M.Hiller

Werner Eichentopf schilderte die damaligen Probleme (und erheiterte auch durch einige Anekdoten) bei der Entwicklungsüberleitung und Fertigung des  "Color 20"                                                                                                                                         (Foto: M.Hiller)

    

Horst Schlesier, damaliger Entwicklungsleiter im ZRF Dresden, berichtete über die Schwierigkeiten bei der Entwicklung des Gerätes und den politischen Druck zur Fertigstellung zum 20. Jahrestag der DDR                               Foto: M.Hiller  

  

Ich sitze neben meinem alten Bekannten Günther Mengewein, der das Ganze auf Video festhält.  (Foto: Rüdiger Behrens)

 

  

Nach den Vorträgen Kaffeepause und Austausch von Erinnerungen mit alten Weggefährten, ich mit der ehemaligen Technischen Direktorin des FSGW Inge Reinhardt                                                                Foto: Rüdiger Behrens 

   

Ein weiterer Höhepunkt der Veranstaltung: Auf Vermittlung von Rüdiger Behrens (vorn links) konnten wir die moderne Fertigung der Flachbildfernseher der Fa. Technisat auf dem Betriebsgelände besichtigen. Auf dem Wege dorthin noch ein Foto aller Gäste. 

                                                                                                                    

 

                                                                                                 

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